all caps x gefährliches halbwissen

ein newsletter über schreckensorte und ihre rap-mythen

Hello friends,

als ich zum ersten Mal das Wort Hadamar in einem Deutschraptext gehört habe, musste ich an Schweine denken. Im hessischen Fritzlar-Haddamar, nur wenige Kilometer von meinem Geburtsort entfernt, hat einmal ein Bauer mehrere Menschen ermordet und eine der Leichen an die Tiere in seinem Stall verfüttert. Klingt nach mittelmäßigem Tatort-Futter, ist aber wirklich passiert und so ziemlich das Einzige, was es über Haddamar zu wissen gibt. Zumindest in den Augen meiner sonst gar nicht so morbiden Eltern, die diese Story immer wieder erzählen, wenn wir die Gemeinde auf dem Weg zu unserer Verwandtschaft durchfahren.

Dass es tatsächlich um etwas anderes geht, wenn Ćelo, Abdï und andere Protagonisten des Straßenraps aus Frankfurt am Main “im Rent-a-Car nach Hadamar” unterwegs sind, habe ich erst durch Till Wilhelm, den Autor des Newsletters Gefährliches Halbwissen, erfahren. Nicht nur ein “d” hatte ich dem Stadtteil zu viel angehängt, sondern ihn auch gute 100 Autominuten (80, wenn Abdï fährt) nach Norden verlegt. Hadamar im Landkreis Limburg-Weilburg und vor allem die dort ansässige Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie sind die Orte, von denen die Rapper eigentlich erzählen. Umso besser, dass Till in der dritten Ausgabe von all caps die düstere Vergangenheit und Gegenwart von Hadamar sowie dessen Bedeutung für Rapmusik aus Frankfurt erklärt. Seinen Text könnt ihr hier lesen.

In meiner Geschichte für die dritte Ausgabe von all caps geht es um einen Hip-Hop-Schreckensort, der sich etwa zwölf Flugstunden westlich von Hadamar und Haddamar befindet. Fast drei Jahre saß der Rapper Drakeo The Ruler aus Los Angeles im dortigen Men’s Central Jail fest. In einem mehrfach aufgerollten Prozess wurden ihm unter anderem Mord, versuchter Mord, Gangmitgliedschaft und illegaler Waffenbesitz vorgeworfen. Expert:innen bewerteten den Prozess von Beginn an als fadenscheinig und rassistisch motiviert. Im November 2020 ließ sich Drakeo dennoch auf einen plea deal ein, um einer möglichen lebenslänglichen Haftstrafe zu entkommen. Er wurde daraufhin auf Bewährung freigelassen.

Mediale Aufmerksamkeit erfährt der Fall von Drakeo The Ruler bis heute aus mindestens zwei Gründen. Einerseits verdanken wir ihm das letztjährige Mixtape Thank You For Using GTL, das der Rapper während seiner Zeit in Untersuchungshaft per Telefon mit dem Produzenten JoogSzn aufgenommen hat. Einhellige Meinung: Besser war Gefängnisrap noch nie. Andererseits steht Drakeos Geschichte in vielerlei Hinsicht exemplarisch für das Verhältnis zwischen Hip-Hop, Justiz, Strafvollzug und Gefängnisindustrie in den USA. Wie sich der Rapper mit den Mitteln seiner Kunstform gegen seine Behandlung durch die Behörden in Los Angeles gewehrt hat und immer noch wehrt, habe ich hier aufgeschlüsselt.

Danke fürs Lesen & weiter alles Gute!
Daniel